Im Urlaub habe ich nach leichter Lektüre für die lange Autofahrt gesucht. Dies stellte sich angesichts der Unfallthematik in Charlotte Roches Schoßgebete zwar als nicht sehr clever heraus, da ich selbst an Autofahrphobie leide, nichtsdestotrotz hat mir das Buch ziemlich gut gefallen. Ob man hier jetzt wirklich von Literatur sprechen kann, sei dahingestellt - Aber ein muss ich sagen: Im Vergleich zu Feuchtgebiete, das ich dann vergleichshalber gleich im Anschluss gelesen habe, kann man bei Schoßgebete immerhin einen tieferen Sinn ausfindig machen - wenn man möchte.
Wie im letzten ZGL Post stelle ich euch auch heute ein paar gute, ehrliche, einfach word-haftige und teilweise auch lustige Textstellen vor.
Liebe & Sex
"Wie zwei Kometen sind wir aufeinander zugeflogen. Es war Liebe auf
den ersten Blick. Aber ohne dass wir das bemerkt haben. Es lief
praktisch in einem Programm im Hinterkopf ab, wie ein Trojaner auf einem
Computer, jenseits unserer bewussten Wahrnehmung. Wir dachten einfach:
Schön, wie wir uns verstehen, wir müssen unbedingt Freunde werden. Wir
fühlten uns wie Seelenverwandte, rein platonisch, versteht sich."
"Früher
habe ich mir von meinem Mann unbedingte Treue gewünscht. Wie macht man
das wieder rückgängig? Meinung geändert! Nach sieben Jahren. Haha. Und
jetzt?"
"Ich weigere mich abends im Bett Sex zu haben. Weil ich dann nie
weiß, was los ist. Wenn wir nebeneinanderliegen und nicht wissen, ob der
andere jetzt will oder nicht oder schlafen oder nicht. Das ist doch
verwirrend. Jedenfalls für mich. Und dann kann ich nicht einschlafen.
Wenn ich die ganze Zeit überlege, atmet der jetzt so, weil er Sex haben
will, oder schläft er längst?"
"Sie sagt: >>Ich heiße Lumi.<< Und schüttelt meine Hand. Wir
werden in ein paar Minuten Sex haben, und sie schüttelt meine Hand.
Lustig! Deutschland."
Atheismus & Aktionismus
"Egal, wie ich aussehe, egal, wie ich rieche, ich kann immer dahin, egal in welchem Zustand. Sagen das nicht die Spinner über ihren Gott, normalerweise? Aber die sind sich nicht ganz sicher und waschen sich doch lieber für ihn, falls er doch nicht so lieb ist, wie sie ihn erfinden."
"Christen halten die seelische Obdachlosigkeit nicht aus, wie ich sie mein Leben lang in vollem Bewusstsein aushalte: Das Leben ist sinnlos, die Erde ist sinnlos, wir sind Zufall, und es gibt niemals ein Leben nach dem Tod. Die denkn sich einfach als Selbsttröster ein Leben nach dem Tod aus, weil sie es gerne, so dringend gerne, hätten, dass wir wichtiger oder besonderer sind als Tiere. Sie reden sich ein, für sie kommt danach noch der Himmel. You wish!"
"Nein, ich gehe einfach von dem Schlimmsten aus, damit ich nicht so dumm bin wie die Gläubigen. [...] Der liebe Gott wird schon seinen Grund haben, warum er diese reinen Seelen zu sich geholt hat. Fickt euch! Niemand holt hier niemanden. Dinge passieren, und wir müssen damit leben, klarkommen, darüber verrückt werden, egal, aber doch nicht gläubig werden, verdammt."
"Alles hat schon seine Gründe. Wir verstehen sie nur nicht. Ja klar. [...] Wir sehen uns auch alle wieder. Klar. [...] Ist aber nicht so. Wir sehen uns nie wieder. An welcher Stelle der Evolution zwischen Affen und Neandertalern wurde uns denn plötzlich die Seele eingehaucht? An keiner. Wir sind Tiere und sehen uns nach dem Tod nie wieder, so wie die ganzen von uns überzüchteten Masthühnchen sich auch nicht wiedersehen nach dem Tod, im Hühnchenhimmel."
"Ich muss mir die Welt in Gut und Böse einteilen, weil ich sonst unfähig werde, politisch zu sein. Wenn man alle Fürs und Widers und Ausnahmen von der Regel beachtet, ist man nachher so verwirrt, dass man gar nichts mehr macht. Gegen nichts. Wenn man aber die Menschen einteilt in gute und böse, Firmen in gute und böse, dann kann man auch was unternehmen, Man muss sich entscheiden, wogegen man ist. Was man gut findet. Und dann: Rann an die Buletten. [...] Ich, Umweltnonne."
Schmerz & Tod
"Wir halten nicht zusammen. Wir halten auseinander."
"Wenn Menschenfleisch verbrennt, riecht es nach gegrilltem bauchspeck, hab ich mal gelesen."
"Ich hasse es, alleine zu sein mit diesen gedanken, immer so ekelhafte Gedanken, entweder Tote oder anal, was anderes gibt's wohl nicht in meinem Kopf?"
"Ich habe Angst vor Psychopharmaka. [...] Wenn ich so depressiv bin, dass ich sterben will, kommt oft vor, dann nehme ich doch kein Mittel, was mich dran hindert. Außerdem habe ich immer das Gefühl, Depression ist genau das richtige Gefühl in dieser Welt, warum sollte ich das mit Medikamenten wegmachen? Die depressive Weltsich ist die richtige Weltsicht."
Ja das sind schon so einige Textstellen - man merkt wohl, dass ich das Buch mag. Hätte ich selbst nicht gedacht. Und da fragt man sich doch, wieso ganz Deutschland von
Feuchtgebiete gesprochen und bei diesem hier kaum einen Murks gemacht hat. Ist wohl nicht so provokativ, wie das andere. Aber Provokation allein, macht noch kein gutes Buch, oder? Und wieso zum Teufel, wird es in der Erotikabteilung einer Buchhanldung verkauft? Unfälle, Tod, verbranntes Fleisch und Depression sind nicht gerade erotisch. Davon hätte auch ruhig etwas im Klappentext stehen können, anstatt:
"Sie liegt immer auf der Lauer, ist immer kontrolliert, immer aufs Schlimmste gefasst. Nur beim Sex ist Elizabeth Kiehl plötzlich frei, nichts ist ihr peinlich. Dann vergisst sie alle Pflichten und Probleme. Und hat nur ein Ziel vor Augen - mit der Liebe ihres Lebens für immer zusammenbleiben."
- Wie wärs mit
Achtung in diesem Roman geht es hauptsächlich um einen Autounfall, der eine ganze Familie und unter anderem Elizabeth Kiehls Persönlichkeit zerstört hat. Lesen sie ihn nicht, wenn sie selbst gerade in einem Auto sitzen und Angst haben vom nächsten LKW überrollt zu werden. Ach ja und nebenbei schläft Elizabeth Kiehl auch mal mit ihrem Mann oder einer Prostituierten.
- Okay, würde sich wohl nicht so gut verkaufen dann.
Den ersten Teil der Serie
ZGL - Zitate guter Literatur finder ihr hier:
Klick!
Und geschickt, wie ich bin, habe ich durch das Einfügen thematischer Bilder diesen Post gleichzeitig mit einem
Zeitfenster-Post verknüpft. Ich Fuchs! Die drei hier gezeigten Bilder sind also schon ziemlich alt und entsprechen dem Spätmittelalter meiner fotografischen Evolution. Mehr aus der
Zeitfenster-Serie gibt's hier:
Klick!