Phu! Nach fünfstündiger Exzerptionsarbeit am Korpus für die Masterarbeit und dem Fußball-Feier-Chaos von gestern bin ich ganz schön geschafft! Doch bevor es raus zu einem Spaziergang geht, kommt heute mal wieder ein ZGL:
Zitat guter Literatur. Und diesmal ist es sogar ein selbstironisches! Wer mich kennt - oder meine "Über-mich-Seite" gelesen hat, ahnt ja vielleicht schon, dass ich mich in meinem Studium hauptsächlich auf die Sprachwissenschaften fokussiert habe.
Es folgt also ein Zitat aus Daniel Kehlmanns "Die Vermessung der Welt":
"Gauß, der zuvor nicht zugehört hatte, bat den Diplomaten, seinen Namen zu wiederholen.
Der Diplomat tat es mit einer Verneigung. Er sei übrigens auch Forscher!
Neugierig beugte Gauß sich vor.
Er untersuche alte Sprachen.
Ach so, sagte Gauß.
Das, sagte der Diplomat, habe enttäuscht geklungen.
Sprachwissenschaft. Gauß wiegte den Kopf. Er wolle ja keinem zu nahe treten.
Nein, nein. Er solle es ruhig sagen.
Gauß zuckte die Achseln.
Das sei etwas für Leute, welche die Pedanterie zur Mathematik hätten, nicht jedoch die Intelligenz. Leute, die sich ihre eigene notdürftige Logik erfänden.
Der Diplomat schwieg.
Gauß fragte ihn nach seinen Reisen. Er müsse ja wirklich überall gewesen sein!
Das, sagte der Diplomat säuerlich, sei sein Bruder."
Na, was meint ihr? Ein bisschen Recht hat er ja schon, der alte
Gauß! Wer Germanistik studiert, kennt vielleicht die anhand mathematischer Funktionen dargestellten
Beschreibungen von Satzbedeutungen der Formalen Semantik und dergleichen (mein Forschungsschwerpunkt weist diese zum Glück nicht auf - nichtsdestotrotz kann man auch ihm eine gewisse
Ordnungsliebe nicht aberkennen).
Na, und den Diplomaten kennt er sicherlich auch: Es handelt sich in diesem Roman nämlich um niemand anderen als den Bildungsreformer und Sprachphilosophen
Wilhelm von Humboldt. Die "Vermessung der Welt" in Kehlmanns Roman betreibt allerdings sein abenteuerlustiger Bruder
Alexander von Humboldt. Wer das Buch also noch nicht gelesen hat und auch auf Fiktion gepaart mit historischen Tatsachen steht, sollte sich diesen Roman wirklich mal zu Gemüte führen.