(Ein wundervoller Song.)
Beeindruckende Persönlichkeiten gibt es viele. Objektiv betrachtet, lassen sich so einige erwähnen.. Subjektiv gesehen, finde ich es allerdings schwierig eine davon zu nennen. Es fehlt einfach der persönliche Bezug, um zu sagen „diese Person hat mich beeindruckt.“ Ich finde die Dramen Dürrenmatts bemerkenswert und das persönliche Schicksal Thomas Manns interessant. Aber wirklich beeindruckt hat mich in letzter Zeit ein Gedicht Bertolt Brechts:
Wer baute das siebentorige Theben
In den Büchern stehen die Namen von Königen.
Haben die Könige die Felsbrocken herbeigeschleppt?
Und das mehrmals zerstörte Babylon,
Wer baute es so viele Male auf? In welchen Häusern
Des goldstrahlenden Lima wohnten die Bauleute?
Wohin gingen an dem Abend, wo die chinesische Mauer fertig war,
Die Maurer? Das große Rom
Ist voll von Triumphbögen. Über wen
Triumphierten die Cäsaren? Hatte das vielbesungene Byzanz
Nur Paläste für seine Bewohner? Selbst in dem sagenhaften Atlantis
Brüllten doch in der Nacht, wo das Meer es verschlang,
Die Ersaufenden nach ihren Sklaven.
Der junge Alexander eroberte Indien.
Er allein?
Cäsar schlug die Gallier.
Hatte er nicht wenigstens einen Koch bei sich?
Philipp von Spanien weinte, als seine Flotte
Untergegangen war. Weinte sonst niemand?
Friedrich der Zweite siegte im Siebenjährigen Krieg. Wer
Siegte außer ihm?
Jede Seite ein Sieg.
Wer kochte den Siegesschmaus?
Alle zehn Jahre ein großer Mann.
Wer bezahlte die Spesen?
So viele Berichte,
So viele Fragen.
Und das trifft es meiner Meinung nach auf den Kopf. Nicht nur die großen Persönlichkeiten der Geschichte sind beeindruckend. Vielmehr sind es die sogenannten „kleinen Leute“, die oftmals im Hintergrund agieren und dennoch mindestens genauso viel zu den großen Taten der Zeitgeschichte beitragen, wie die „Großen“. Ich persönlich finde sogar jeden Menschen in gewisser Hinsicht beeindruckend. Der Mensch, als biologisch faszinierendes Geschöpf. Der Mensch in seiner evolutionären Geschichte. Der Mensch, der neben mir in der U-Bahn sitzt und seine ganz eigene Geschichte hat – der Mensch als Individuum.
Beeindrucken muss auch nicht immer positiv besetzt sein. Die Kunstgeschichte der „Modernen Primitiven“ im 19. & 20. Jahrhundert umfasst nicht nur die Kunst von Kindern oder primitiver Kulturen, sondern auch die von Wahnsinnigen. Mörder und Kinderschänder sind durchaus keine Personen die typischerweise als beeindruckend empfunden werden, dennoch finde ich es aufgrund des Krankheitsbildes spannend, was für Kunstwerke solche Menschen erschaffen können. Ein solcher Künstler ist beispielsweise der pädophile Straftäter Adolf Wölfli, der mangels Zurechnungsfähigkeit und an Schizophrenie leidend, 1895 in die Irrenanstalt Waldau bei Bern eingeliefert wird und dort zu Malen beginnt. 1921 widmet der Psychiater Walter Morgenthal der Person Adolf Wöflis ein Buch: „Ein Geisteskranker als Künstler, Adolf Wöfli“. Hier wird erstmals der Wahnsinnige als Künstler und Individuum ernst genommen. Morgenthaler stellt die These auf, dass das, was man beim „normalen“ Künstler nicht sieht, den Ursprung der Kreativität sozusagen, beim Geisteskranken erst sichtbar wird. 50 Jahre später erst, 1971, findet die erste Einzelausstellung Adolf Wölflis in Basel statt. Wie gesagt, nicht beeindruckend im konventionellen Sinne, aber dennoch hat Wölfli, ein geisteskranker, von der Gesellschaft verstoßener Mensch, etwas derart Beeindruckendes geschaffen, dass diese Gesellschaft es später dennoch für wertvoll genug hielt ihm, einem Pädophilen, eine Ausstellung zu widmen.
– Die Facetten des Beeindruckenden sind weit gefächert.
Sehr schöner Beitrag, da denkt man gerne drüber nach.
AntwortenLöschenNot bad!
AntwortenLöschenAus alt mach neu. Bilder und Gedanken.
Zu aller erst dachte ich: Na, das Foto kennst du doch noch.
Anschließend hatte ich im Kopf: Klickste mal auf den Blog und guckst mal, was sie schreibt.
Danach dachte ich: Langer Text und eigentlich hattest du ja noch ein paar andere Sachen vor.
Dann dachte ich: Ach, ließt du mal einen Auszug (unten begonnen).
Im Anschluss: Interessant... Einen Absatz (ein Teil des Gedichts) geht noch bevor du weitermachst.
Nun durchspülte meinen Kopf: Ich verstehe langsam worauf du hinaus willst. Diese Ansicht der Dinge war mir mal vertraut. Aber der Gedanke erscheint wie ein alter Freund, den man lange nicht angerufen hat, weil man nicht mehr weiß, ob man sich noch verstehen würde.
Ein weiterer Absatz und dann die Unterschrift. Die Einleitung, das Gedicht, noch einmal die Unterschrift.
Ein paar Minuten später und einige Schritte weiter in dem Gedanken, freue ich mich mal wieder die Welt um ein paar Minuten nach hinten geschoben zu haben, um auf die Frage zu stoßen, ob alte Freunde nicht neue Freunde werden können...
Klasse Post Nastja :)
Super Post!
AntwortenLöschenMusste mich zwar erstmal aufraffen alles zu lesen hat sich aber definitiv gelohnt!=)
Das Gedicht kenne ich. Ich kann dich dahingehend beruhigen, dass sich die Geschichtswissenschaft immer mehr den "kleinen Leuten" widmet und eigentlich längst davon abgekommen ist, eine Geschichte "großer Männer" zu sein. ;-) Du würdest dich wundern, wieviel von der historischen Forschung längst überholt ist, ohne dass es in der Gesellschaft bzw. im Lehrplan für Schüler ankommt.
AntwortenLöschenDas was "Otto Normalverbraucher" im Spiegel und Co. als "Geschichte" verkauft wird, ist historisch gesehen oftmals bedenklich und glorifizierend. Hast du bemerkt, dass z.Z. überall über Friedrich II. berichtet wird?! Wieder so ein Beispiel. Gerade der Sieben Jährige Krieg. Da lief alles gar nicht so glatt zwischem ihm und seinen Truppen ab, wie immer behauptet wird. Es gibt zahlreiche Quellen, die belegen, dass der "große Friedrich" oftmals an sich gezweifelt hat und die Soldaten latent genervt von ihm waren. Nur ein Beispiel. ;-) Ich könnte noch hunderte nennen, wo das Geschichtsbild, was uns nach Außen transportiert wird, nicht stimmig mit den Quellen ist.
Ein toller Post, sehr interessant!
AntwortenLöschenFragen eines lesenden Arbeiters - Das Gedicht mag ich sehr. Ich hab im Rahmen eines Seminars bei der Herausgabe eines Gedichtbandes mitgearbeitet, in dem Prominente ihr Lieblingsgedicht vorstellen. Dieses Gedicht hatte sich Wolfgang Niedecken ausgesucht.